Kultwein aus Napa Valley: Vertikale Insignia

14. Januar 2022 News

Der Insignia von Joseph Phelps war einer der ersten großen Bordeaux-Blends aus dem Napa Valley. Mehre Jahrgänge wurden von Parker mit der Traumnote von 100 Punkten bewertet, und so avancierte er schnell zum gesuchten Kultwein. In einer kleinen Vertikale mit 10 Jahrgängen überprüften wir, ob Insignia diesen Status verdient.

Der Seiteneinsteiger Joseph Phelps gründete sein Weingut 1973. Er engagierte den Deutschen Walter Schug, der sich bereits als Vineyard Manager einen exzellenten Ruf erarbeitet hatte. Die ersten 40 Hektar wurden mit den Sorten Cabernet Sauvignon, Zinfandel, Riesling und Gewürztraminer bestockt. Wie zu dieser Zeit in Napa üblich, wurden Trauben zugekauft, bevor die eigenen Weinberge nach und nach die Frucht ersetzten.

Der erste Jahrgang Insignia war 1974. Die Trauben (94% Cabernet Sauvignon, 6% Merlot) stammten komplett aus Zukauf: Der Cabernet vom Steltzer Vineyard in Stags Leap und der Merlot von Stanton Vineyard. Schon im ersten Jahrgang zeigte sich das großartige Talent von Walter Schug, exzellente Traubenqualitäten zu finden und sie perfekt aufeinander abgestimmt zu blenden. Denn Walter war gleichzeitig der verantwortliche Winemaker von Phelps. Die Kritiker waren zunächst von diesem kraftvollen Wein (13,8%) gar nicht begeistert, den meisten war er zu reif und zu konzentriert. Sie bescheinigten ihm eine Lebensdauer von etwa 10 Jahren. Die Realität widerlegte diese Einschätzung: 2013 revidierte Parker sein Urteil und bescheinigte dem 1974er Insignia, dass er 36 Jahre nach der Abfüllung besser als je zuvor sei und verlieh ihm 99 Punkte.

Seit 1974 nahm Insignia eine faszinierende Entwicklung. Die Zusammensetzung des Blends änderte sich von Jahr zu Jahr, es kamen Sorten wie Malbec und Petit Verdot hinzu. Cabernet Sauvignon blieb die dominierende Sorte, zwischen 80 und 90 % in den meisten Jahrgängen. Aus den 670 Kisten des Jahrgangs 1974 wuchs die Produktion in Spitzenjahren auf mehr als 20.000 an. Verblüffend ist, dass seit den 90er Jahren die Spitzenqualitäten mehrheitlich mit den größeren Produktionsmengen korrelieren. Schwächere Jahrgänge hatten eine kleinere Produktionsmenge, manchmal nur 10.000 cases, was für eine kompromisslose Selektion spricht.

Die Stars der Insignia-Vertikale

Das zeigte sich in der Vertikalprobe: Die Qualitätsdichte über die recht unterschiedlichen Jahrgänge war spektakulär hoch. Wir begannen mit dem Jahrgang 2000 aus der Magnum-Flasche:

2000 Insignia (Magnum): 77% Cabernet Sauvignon, 19% Merlot, 3% Petit Verdot, 1% Malbec. 20.000 cases. Petit Verdot und Malbec von den Rebflächen um die Winery, Cabernet und Merlot aus Manley Lane und Stags Leap. Tiefdunkles, dichtes, undurchdringliches Schwarz-Rubin. Intensive Cassis-Nase, Kaffee, Lakritze, etwas Teer, Tabak, dunkle Schokolade, ein Hauch Minze. Am Gaumen stoffig und konzentriert, mit viel saftiger Brombeer- und Cassisfrucht, geschmeidig und rund, aber mit kraftvollen, weichen Gerbstoffen. Großartige Balance, leicht süßlich-schokoladiges Finale. Trinken bis 2030 95 Punkte

2005 Insignia: 92% Cabernet Sauvignon, 7% Petit Verdot, 1% Merlot. 12.500 cases. Seit dem Jahrgang 2004 stammen alle Bordeauxsorten aus eigenen Weingärten. Dunkles Rubinrot, opak. Intensives, elegantes und tiefgründiges Bukett von schwarzen Kirschen, Leder, Creme de Cassis, sehr feine Röstaromen, Zigarrenkiste, Unterholz, öffnet sich weiter mit zunehmender Belüftung. Packend und saftig im Auftakt, schwarze Kirschen, ein Hauch Amarena, fleischig, etwas Rosmarin, elegante und dennoch jugendliche Tannine, die bestens integriert sind, mit viel Finesse im reichhaltigen und langen Finale. Trinken bis 2040 96 Punkte

2006 Insignia: 95% Cabernet Sauvignon, 5% Petit Verdot. 16.000 cases. Sehr dunkles, fast schwarzes, dichtes Rubin. Neben der recht intensiven Frucht, allen voran Brombeere und schwarze Johannisbeere fallen die Noten von Teer, Holzkohle und Graphit auf, die sich harmonisch ergänzen, dazu etwas Espresso, komplex und immer neue Facetten offenbarend. Fester, kraftvoller Auftakt mit einer geballten Ladung packender Tannine, aber reif, die prägend im Gesamteindruck sind, eher Latour als Lafite-ähnlich, dazu aber diese unnachahmliche Fruchtintensität des Napa Valley, Cassis im Überfluss, Brombeere, Heidelbeeren. Trotz aller Kraft nicht übertrieben, mit großer Lebensdauer. Trinken bis 2045 95 Punkte

2007 Insignia: 88% Cabernet Sauvignon, 8% Merlot, 4% Petit Verdot. 13.500 cases. Sehr dichtes, tiefdunkles, tintig-schwarzes Rubin. Offensives, ausladendes und tiefgründiges Bukett nach dunkler Beerenfrucht, feinen Eichenholz- und Röstaromen, getoastetes Brot, schwarze Oliven, Graphit, Leder, abgehangenes Fleisch, geröstete Kräuter, Rosmarin, Lakritze, und immer wieder Cassis. Hoch komplex, enorm vielschichtig und faszinierend in seiner Eleganz. Am Gaumen dann großzügige Opulenz, alles ist da, eine packende Struktur mit feinsten Gerbstoffen im Überfluss, bestens integriert, so dass er jetzt schon eine Riesen-Freude macht und dennoch jugendlich wirkt, so dass man sicher wird, dass er seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Hoch komplex im enorm druckvollen Finale, das die Balance zwischen Power, Finesse und Eleganz mühelos meistert. Weltkasse! Trinken bis 2045 100 Punkte

2008 Insignia: 89% Cabernet Sauvignon, 7% Petit Verdot, 4% Merlot. 16.650 cases. Tiefdunkles, violettes Rubin. Im Duft verschwenderisch mit Heidelbeeren, Cassis und Brombeeren, die von welkem Laub, Waldboden, Weihrauch, etwas Minze und Noten von edlen Hölzern und Toastnoten begleitet werden. Die Gerbstoffe sind reif und massiv, aber noch nicht vollends integriert. Dennoch sehr stimmig, mit seiner Opulenz und Generosität fehlt ihm nur ein Hauch Finesse und Eleganz, um zu seinem Vorgänger aufzuschließen. Mit etwas Geduld könnte er noch einen halben Punkt zulegen. Trinken bis 2045 98 Punkte

2009 Insignia: 83% Cabernet Sauvignon, 13% Petit Verdot, 4% Merlot. 10.540 cases. Sehr dunkles Purpur-Schwarz-Rubin. Geballte Fruchtladung von Heidelbeeren und Cassis, untermalt von floralen Akzenten wie Flieder und Lilie, Lorbeer, schwarze Oliven, und kräuterigen Noten. Am Gaumen überaus charmant und sinnlich, mit köstlicher Cassisfrucht, einer schwingenden Säure, erdigen, steinigen Noten, feinsten und bestens integrierten, seidigen Tanninen. Hoch elegant und verspielt, facettenreich und komplex im faszinierend langen Finish. Was für eine Serie unterschiedlicher und jeweils großer Weine vom perfekten 2007er über den etwas kantigeren 2008er bis zum wollüstigen 2009er! Trinken bis 2040 98+ Punkte

2010 Insignia: 84% Cabernet Sauvignon, 10% Petit Verdot, 4% Merlot, 2% Malbec. 11.060 cases. Gewohnt dunkle Farben, mit purpurnem Rand. Die intensive schwarzbeerige Frucht wird von floralen Akzenten ergänzt, etwas Minze, Noten von Graphit, Rauch und Tapenade. Ein etwas kühlerer und dennoch reichhaltiger Insignia mit super-saftiger Frucht, der mit feinem Säurespiel glänzt, schönem Fluss am Gaumen, sehr feinkörniges Tannin, insgesamt sehr stimmig und vielschichtig, glänzt eher durch Schönheit als durch Kraft. Trinken bis 2035 96 Punkte

2011 Insignia: 82% Cabernet Sauvignon, 11% Petit Verdot, 4% Malbec, 2% Merlot, 1% Cabernet Franc. 13.000 cases. Dunkles, am Rand leicht aufhellendes Rubin-Violett. Fruchtgeprägtes, offensives Bukett nach schwarzen Johannisbeeren, Rote Grütze, ein Hauch Minze und Lakritze, schwarzer Tee, florale Akzente. Zur saftigen Cassis- und Brombeerfrucht gesellen sich feingliedrige Tannine und eine genauso feine Säure, alles dicht miteinander verwoben, feine Textur und solide Struktur, alles passt gut zusammen. Ein etwas leichterer Insignia, der nicht ganz an die Klasse seiner Vorgänger reicht und auch eher getrunken werden sollte. Trinken bis 2030 94 Punkte

Dem erwartungsgemäß etwas weniger vollen 2011er Insignia stellten wir zum Vergleich aus dem gleichen Jahr den 2011er Hillside Select Cabernet Sauvignon von Shafer zur Seite.

2011 Hillside Select, Shafer: 100% Cabernet Sauvignon. Dunkles, purpurnes Rubinrot. Faszinierendes, intensives Bukett nach schwarzen und roten Johannisbeeren, Grill-Aromatik, Rauchnoten, Kräuter (Rosmarin und Thymian), feine Röstaromatik vom Holz, ganz dezent Vanille und florale Noten. Grandioser Fuchtauftakt mit sehr viel feinstkörnigem Tannin, einer lebhaften und erfrischenden Säure, herrlich mundfüllend, packend, stimmig, in einem vielschichtigen und eleganten Finale endend. Trinken bis 2035 97 Punkte

2012 Insignia: 75% Cabernet Sauvignon, 10% Petit Verdot, 10% Merlot, 3% Malbec, 2% Cabernet Franc. 15.000 cases. Tiefdunkles Rubin mit violettem Rand. Faszinierend vielschichtiges und erstaunlich offenes, entwickeltes Bukett mit viel Brombeer- und Cassisfrucht, dezenter Kräuterwürze und feiner Holzunterstützung, Bleistift, etwas Räucherspeck, intensive Toastnoten. Opulente Frucht, Brombeermarmelade, leicht süßlich, mit geballter Ladung feinster Gerbstoffe, generös in seiner Vielschichtigkeit und Finesse, mundfüllend und fordernd, mit enorm viel Druck im Finale, kommt dem 2007er sehr nahe, wird mit zunehmender Flaschenreife definitiv zulegen. Sicher ein großer Insignia, definitiv dank seiner Power ein Highlight. Er ist der noch verschlossenste Insignia in dieser Reihe. Es würde mich nicht wundern, wenn er – die Balance findend – in den nächsten 10 Jahren noch zulegen dürfte. Trinken 2025 – 2045 99 Punkte

Krönender Abschluss sollte der 1997 Insignia sein. Dieser Jahrgang zählt allgemein im Napa Valley zu den besten überhaupt. Um das zu zeigen begannen wir mit einem hierzulande kaum bekannten Underdog:

1997 Cabernet Sauvignon von Paoletti: Dunkles Rubin mit leicht aufhellendem Rand. Offenes Bukett nach dunklen Kirschen, Valrhona Schokolade, ein Hauch Minze, etwas Hagebutte. Am Gaumen ein typischer, vollmundiger Napa Cabernet mit mundfüllender dunkelbeeriger Frucht, verschwenderische Fülle, leicht süßlich wirkend, die Gerbstoffe fein und stets präsent, im Finale gute Balance Frucht und Struktur, beeindruckend lang. Keinerlei Müdigkeit zeigend, macht großen Trinkspaß. Trinken bis 2028 94 Punkte

Das wäre ein Wein gewesen, an den man sich gerne erinnert, aber dann stand er doch ganz im Schatten des großen Insignia:

1997 Insignia: 83% Cabernet Sauvignon, 14% Merlot, 3% Petit Verdot. 60% der Frucht aus eigenem Anbau, 40% Zukauf. 20.000 cases. Dunkles Rubinrot, ohne aufhellenden Rand. Verführerisch offenes und entwickeltes Bukett: Punktgenau gereifte Frucht – überwiegend Cassis, Brombeere, Heidelbeere – und Schokolade und Mokka, Kräuter und Holz-/Röstnoten, alles glasklar erkennbar, brillant ineinander verwoben, enorm tiefgründig und vielschichtig. Am Gaumen begeistern die Opulenz ohne jede Schwere, die Eleganz und der Reichtum, die Balance und Finesse. Die beerige Frucht wird von schokoladiger Süße untermalt, tänzerisch unterstützt die Säure das Aromenspiel, die ultrafeinen Tannine prägen die Struktur, die Kraft erinnert an den schmetterlingsgleichen Mohammed Ali, hoch präzise und punktgenau. Endlos langes Finale.

Jetzt perfekt, auf dem Höhepunkt, ich hatte auch letztes Jahr schon das Vergnügen, mit sehr ähnlicher Wahrnehmung. Ein Wein der sich perfekt entwickelt hat, der Frische und nicht die geringste Müdigkeit zeigt. Trinken bis 2035 100 Punkte

Das einstimmige Fazit aller Teilnehmer:

  1. Insignia hat den Kultstatus verdient
  2. Insignia zeigt trotz hoher Produktionszahlen eine beeindruckende Qualitätsdichte, auch bei vermeintlich schwachen Jahrgängen
  3. Insignia hat ein großes Reifepotenzial von gut 30 Jahren. In seiner Jugend zeigt er große Anlagen, aber nach 10 Jahren Flaschenreife finden die Weine die Balance
  4. Insignia, kostet - verglichen mit anderen Weinen mit diesem Status - vergleichsweise wenig

Text: Frank Roeder MW